Darf ein Autohersteller freie Händler vom Verkauf ausschließen? Was tun im Abmahnfall?
Im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems darf der Hersteller gewisse Kriterien festlegen, die ein autorisierter Verkäufer erfüllen muss. Will dieser dann am Vertriebssystem partizipieren und erfüllt er die aufgestellten Kriterien, darf ihm das grundsätzlich nicht untersagt werden. Das Vertriebssystem ist dann insoweit auf die aufgenommenen Vertragshändler beschränkt. Freie Händler, die entweder nicht alle Kriterien erfüllen oder gar nicht Teil des offiziellen Netzwerks sein wollen, dürften diese Fahrzeuge also eigentlich gar nicht erst beziehen können (so auch Prof. Dr. Artz beim 11. Deutschen Autorechtstag).
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Vertriebssystems ist eine Ausnahmeregelung vom eigentlich geltenden Kartellverbot. Diese als Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) bezeichnete Regelung verlangt allerdings auch, dass das Vertriebssystem tatsächlich geschlossen ist und ein Hersteller seinen Neuwagenvertrieb ausschließlich über den Vertragshandel organisiert. Eine Sonderstellung genießen Mietwagen- und Leasingunternehmen.
Die Vertriebssysteme fast aller Hersteller dürften in der Praxis alles andere als „geschlossen“ sein. Allerdings dürfte es gleichzeitig auch schwierig werden, mit dem Fehlen einer wichtigen Voraussetzung, nämlich der Geschlossenheit des Vertriebssystems, die Zulässigkeit des freien Neuwagenhandels zu rechtfertigen, denn nach inzwischen herrschender Meinung muss das System zwischen einem Hersteller und seinen Vertragshändlern weder gedanklich noch faktisch vollkommen lückenlos geschlossen sein. Jedoch darf die „Durchbrechung“ auch nicht aktiv gefördert werden, so wie es im Rahmen der „Hyundai-Affäre“ wohl der Fall war und scheinbar immer noch ist.
Grundsätzlich gilt: Freie Händler dürfen Neuwagen normalerweise nicht an- und verkaufen, sondern nur vermitteln. Auf die von der EU-Kommission als zulässig angesehenen Sonderformen der "verkaufenden Vermittlung" gehen wir später noch ein. Um es auf den Punkt zu bringen:
Vorratskauf geht eigentlich nicht und kann zum Problem werden.
Gilt das für alle Neuwagen?
Ein Großteil der in den deutschen Markt eingeführten so genannten EU-Fahrzeuge werden nach hiesiger Kenntnis mit Tageszulassungen verkauft.
Eine Haltefristvereinbarung besteht anders als bei Fahrzeugen der Premium-Hersteller bei Massenware eher nicht.
Nicht wenige Hersteller, die das selektive Vertriebssystem etabliert haben, scheinen den Neuwagenvertrieb über den freien Handel zu tolerieren oder sogar gezielt zu fördern. Hierbei spielen Tageszulassungen eine zentrale Rolle.
Ob diese Vorgehensweise allerdings nicht nur tatsächlich, sondern auch rein rechtlich mit einem selektiven Vertriebssystem zu vereinbaren ist, bleibt weiterhin fraglich. Jedenfalls wenn der Hersteller dieses aktiv fördert und die vorgenannten Praktiken zulässt, dürfte er sich auf die Geschlossenheit des Vertriebssystems nicht mehr berufen können.
Allerdings tritt diese Frage in den Hintergrund, wenn sich ein Hersteller plötzlich der Geschlossenheit seines Vertriebssystems besinnt und rechtlich gegen freien Händler vorgeht.
Was passiert, wenn ich der Unterlassungsaufforderung des Herstellers nicht nachkomme?
Zu differenzieren ist zwischen markenrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen, die dem Hersteller gegen den in das Vertriebssystem Eindringenden zustehen könnten.
Aus markenrechtlicher Sicht können nur dann Probleme entstehen, wenn Fahrzeuge ursprünglich nicht für den EU-Markt bestimmt waren, bzw. erstmalig außerhalb der EU in den Handel gebracht und dann über freie Händler in die EU importiert wurden. Andernfalls ist das Markenrecht mit (erstmaligem) Inverkehrbringen der Fahrzeuge durch den Hersteller oder seinen Vertreter im EU-Raum „erschöpft“ (sog. Erschöpfungsgrundsatz).
Ansprüche des Herstellers könnten dann jedoch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen. Hierzu reicht es allerdings nicht aus, wenn der Vertragsbruch des Vertragshändlers gegenüber dem Hersteller - denn nur zwischen diesen beiden besteht eine vertragliche Beziehung - vom außerhalb des Vertriebssystems stehenden freien Händler ausgenutzt wird. Die Belieferung auf Veranlassung eines konkreten Endkunden und anschließende Weiterveräußerung dürfte dem freien Händler somit nicht untersagt werden können. Der Hersteller muss selbst dafür Sorge tragen, dass sein Vertriebssystem geschlossen bleibt, beispielsweise durch Sanktionsmaßnahmen gegenüber dem Vertragshändler bis hin zur Kündigung des Händlervertrags.
Werden die Fahrzeuge nicht von einem Vertragshändler, sondern von einem dritten, außerhalb des Vertriebssystems stehenden freien (Groß-) Händler an einen freien Händler weiterveräußert, so dürfte nach den vorstehenden Grundsätzen ebenfalls kein Wettbewerbsverstoß vorliegen. Wenn schon das Ausnutzen der Belieferung durch den Vertragshändler nicht zu beanstanden ist, dürfte dies erst recht für die Beziehung zum unbeteiligten Dritten geltend.
Wenn der freie Händler den Vertragshändler aber gezielt zum Vertragsbruch verleitet und z.B. mittels eines Strohmanns lediglich vorgibt, vermittelnd tätig zu sein (Schleichbezug), kann dies unter dem Aspekt einer wettbewerbsrechtlichen Behinderung untersagt werden. Dann stünden dem Hersteller ggf. auch weitere Ansprüche, wie die Offenlegung der Lieferanten und Absatzzahlen zu. Außerdem dürfte daraus resultierend auch die Bewerbung solcher Fahrzeuge untersagt werden können. An der Stelle sei auf die steuerlichen Risiken bei der Neuwagenbeschaffung über Strohmänner hingewiesen (siehe auch Wochenendticker vom 20.07.2015).
Das müssen Sie prüfen:
1. Zunächst ist der Vertriebsweg bzw. die Herkunft des Fahrzeugs zu prüfen. Handelt es sich um Fahrzeuge, die der Hersteller willentlich erstmalig in den EU-Raum eingeführt hat? Wenn ja, sind markenrechtliche Ansprüche des Herstellers in der Regel ausgeschlossen.
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kommen eigentlich nur in Betracht, wenn der Vertragshändler zum Vertragsbruch verleitet oder getäuscht wurde. Das dürfte in der vorliegenden Konstellation nicht der Fall sein.
2. Zu betrachten ist außerdem, auf welchem Weg die Fahrzeuge zum Endkunden gelangen. Die ordnungsgemäße Vermittlung mit Endkundenmandat kann vom Hersteller nicht untersagt werden. Uneinigkeit besteht jedoch über die Definition des Vermittlerbegriffs. Der BVfK vertritt, in Übereinstimmung mit der EU-Kommission die Auffassung, dass innerhalb der Vermittlerrolle auch der Erwerb des Fahrzeugs auf eigene Rechnung zulässig ist. Dies müsste eigentlich auch für Fahrzeuge gelten, die auf dem eigenen Hof stehen, wenn diese lediglich „auf Kommission“ dort platziert wurden. Ein Endkundenmandat sollte dann bei Veräußerung vorliegen.
Das sieht z.B. Hyundai anders. Dort ist man der Auffassung, dass eine Neuwagenvermittlung nur dann als solche anzusehen ist, wenn der freie Händler seinen Kunden beim Vertragshändler "abliefert".
Festzustellen ist, dass nicht nur Wirklichkeit und Rechtslage im freien Neuwagengeschäft auseinanderdriften, sondern auch in einigen wichtigen Punkten, an denen der BVfK arbeitet, noch präzisiert werden müssen. Daher dürfte derzeit nur die „klassische“ EU-Vermittlung (Endkundenmandat / Vermittlungsvertrag / Kaufvertrag zwischen dem Endkunden und Verkäufer) vollkommen rechtssicher sein.
So verhalten Sie sich richtig:
Wenn Sie (verkaufend-)vermittelnd tätig sind, gestalten Sie Ihre Werbung auch dementsprechend, um Missverständnisse zu vermeiden. Formulieren Sie ihre Angebote so, dass Sie nicht den Eindruck erwecken, Vertragshändler zu sein. Diesbezüglich sei auf den Wochenendticker vom 20.05.2017 verwiesen.
Idealerweise findet sich in Ihrem Werbetext ein Hinweis auf den Vermittlerstatus. Hier eine empfehlenswerte Lösung von meinauto.de:
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Wichtig:
Lassen Sie sich von Ihrem Kunden vor Vertragsabschluss ein „Endkundenmandat“ unterschreiben.
Nehmen Sie Abmahnungen immer ernst und reagieren Sie fristgemäß darauf. Hierbei ist fachliche rechtliche Beratung immer dringend angeraten.
Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ansprüche begründet sind, kann es opportun sein, der Aufforderung nachzukommen. Andernfalls sollte mit entsprechenden Argumenten erwidert werden.
Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, wenden Sie sich gerne an die BVfK-Rechtsabteilung!
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